Kinderosteopathie: Ein wertvoller Bestandteil des deutschen Gesundheitssystems
16.04.25
Weltweit wurden bereits über 70.000 Studien zur Wirksamkeit und den Auswirkungen der Osteopathie durchgeführt. Eine aktuelle Übersichtsstudie von 2022 kommt speziell im Bereich der Kinderosteopathie zu positiven Ergebnissen. Doch welche Vorteile bietet die Osteopathie insbesondere für Kinder und welchen Beitrag leistet sie zum deutschen Gesundheitssystem?
Warum entscheiden sich immer mehr Deutsche für osteopathische Behandlungen?
Mittlerweile haben sich bereits 19 Millionen Deutsche in osteopathische Behandlung begeben – und deren Zufriedenheit ist hoch. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage aus 2024 gaben 75 % an, dass sie zufrieden seien, 55 % waren sogar sehr zufrieden und 87 % würden die Osteopathie weiterempfehlen. Bei Kindern ist dieser Wert noch höher: Über 83 % sind zufrieden mit der kinderosteopathischen Behandlung. Doch was leistet die Kinderosteopathie wirklich?
Was ist Osteopathie?
Die Osteopathie ist eine eigenständige Heilmethode. Osteopathen arbeiten nur mit ihren Händen. Trotz spezifischer, manueller Techniken ist die Osteopathie nicht in der Physiotherapie anzusiedeln. Daher bedarf es einer grundsätzlichen Überprüfung der rechtlichen Regelung, was auch bereits die Gesundheitsministerkonferenz forderte.
Welche wissenschaftlichen Belege gibt es für die Wirksamkeit der Kinderosteopathie?
Ende 2022 wurde die bisher größte Übersichtsstudie zur osteopathischen Behandlung von Kindern veröffentlicht. Darin waren 47 Studien eingeschlossen: 23 Studien zeigten einen statistisch signifikanten Vorteil für die Osteopathie, bei 15 Studien war ein Vorteil zur Vergleichsgruppe festzustellen, der jedoch nicht statistisch signifikant war.
Im Bereich der Kinderosteopathie gibt es zudem mehrere Studien, die darauf hinweisen, dass die osteopathische Behandlung bei Schreikindern zu einer Verminderung der täglichen Schreidauer und Schreiintensität führt. Gleichzeitig nimmt die tägliche Schlafdauer des Babys zu. Diese Ergebnisse sind statistisch signifikant.
Eine aktuelle Studie im wissenschaftlichen Journal BMC Pediatrics berichtet außerdem, dass osteopathische Behandlungen zu statistisch signifikanten und klinisch relevanten positiven Ergebnissen führten, einschließlich positiver Veränderungen der psychischen Belastung von Eltern. „Das ist eine gute Bestätigung osteopathischer Arbeit“, so die Sprecherinnen der Osteopathie-Allianz Christine Berek, 1. Vorsitzende des Bundesverbands Osteopathie e.V. – BVO, und Prof. Marina Fuhrmann, Vorsitzende des Verbands Deutscher Osteopathen e.V. (VOD).

Sind weitere Studien zur Kinderosteopathie notwendig?
„Natürlich und ohne jeden Zweifel wäre es gut, wenn es im Bereich der Kinderosteopathie mehr Studien gäbe. Das Problem ist aber nicht, dass es keine osteopathischen Studien gibt, sondern dass es angesichts der vielen Indikationen zu wenige gibt. Kurz: Die Situation ist primär gekennzeichnet durch einen Mangel an Studien zur Kinderosteopathie – nicht aber durch einen Mangel an Wirksamkeit“, erläutern die beiden Vorsitzenden.
Ist eine Kinderosteopathie-Ausbildung empfehlenswert?
Die Kinderosteopathie ist eine spezielle Zusatzausbildung für Therapeuten, die bereits eine Osteopathie-Ausbildung abgeschlossen haben. Auf der Therapeutenliste des BVOs sind jene, die diese Ausbildung gemäß unseren Richtlinien abgeschlossen haben, mit einem Kinderwagen-Symbol gekennzeichnet. Die Suche erlaubt es auch gezielt nach Kinderosteopathen in Ihrer Nähe zu suchen.
Wie effektiv ist Osteopathie bei Erwachsenen?
Der Schritt geht jedoch in die richtige Richtung. Immer mehr Studien sowie Übersichtsarbeiten belegen: Osteopathie hilft. Vor allem im Bereich des Bewegungsapparates liefert die Osteopathie positive Ergebnisse. So zum Beispiel bei akuten und chronischen Rückenschmerzen, bei chronischen nicht-krebsbedingten Schmerzen wie auch bei Schmerzen im Rücken während und nach der Schwangerschaft.
Eine Studie belegte sogar, dass sich die Osteopathie in Kombination mit der Standardversorgung positiv auf die Schmerzlinderung sowie auf die funktionelle Wiederherstellung von Patienten nach einer Herzoperation auswirkte.
Treten Nebenwirkungen bei osteopathischen Behandlungen auf?
Studien belegen, dass nach einer osteopathischen Behandlung kaum Nebenwirkungen auftreten. Eine Studie aus 2018 ergab: Bei knapp 2.000 Patienten kam es bei nur 45 Fällen (ca. 2 %) zu Schmerzen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskelkater und Übelkeit – zu ernsteren Symptomen aber nicht. Die Forscher folgerten, dass Nebenwirkungen in der Osteopathie seltener vorkommen als bei anderen Verfahren der manuellen Medizin.
Mehr noch: Eine aktuelle Übersichtsarbeit mit rund 4.000 Probanden ergab, dass keine ernsten Nebenwirkungen aufgrund einer osteopathischen Behandlung festzustellen waren und somit die Osteopathie als sicher betrachtet werden kann.
Belastet die Osteopathie das Gesundheitssystem finanziell?
Die Osteopathie ist eine Selbstzahler-Leistung. Krankenkassen erstatten nur auf freiwilliger Basis osteopathische Leistungen ganz oder teilweise.
Nimmt man als Beispiel die Barmer Ersatzkasse mit ihren 8,7 Millionen Mitgliedern, die 2023 860.000 Euro für die osteopathische Behandlung von Neugeborenen ausgegeben hat, kommt man im Vergleich zu den gesamten Leistungsausgaben gerade mal auf 0,0022 %.
Völlig außen vor sind dabei die Folgekosten. So hat die BKK Advita berechnet, wie hoch die Ausgaben für jedes Mitglied vor und nach einer osteopathischen Behandlung waren. Gab es in den letzten sechs Monaten vor der osteopathischen Behandlung Ausgaben von 875 Euro pro Versicherten, beliefen sich die Zahlungen nach der Behandlung auf 703 Euro – und in diesem Betrag sind die Kosten für die Osteopathie bereits eingerechnet. Die Krankenkasse kommt daher zu dem Schluss, dass sie bei jedem Versicherten, dem sie die Osteopathie bezahlt hat, 20 % an Leistungen eingespart hat.
Unabhängig von den Kosten sollte zudem nicht vergessen werden, dass Eltern, die eine osteopathische Praxis aufsuchen, das Gesundheitssystem nicht weiter überlasten, indem sie lange mit anderen Eltern und kranken Kindern in dem überfüllten Wartezimmer eines Kinderarztes sitzen.
Werden Osteopathie-Behandlungen am Kind erstattet?
Grundsätzlich ist die Osteopathie eine Selbstzahler-Leistung, doch viele Krankenkassen bezuschussen die Behandlungen durch einen Osteopathen. Welche Modalitäten dafür gegeben sein müssen, erfahren Sie von Ihrer Krankenkasse. Der Bundesverband Osteopathie e.V. – BVO rät, dass sich Patienten bereits vor der Behandlung direkt mit ihrer Kasse in Verbindung setzen. Weitere Informationen finden Sie hier.
Warum ist eine berufsgesetzliche Regelung der Osteopathie wichtig?
„Nicht nur Umfragen unter Patienten, sondern auch Studien beweisen, dass die Osteopathie ein wertvoller Teil der Integrativen Medizin ist und längst aus dem deutschen Gesundheitssystem nicht mehr wegzudenken. Es gilt nun, die Osteopathie berufsgesetzlich zu regeln – zur Sicherstellung des Patienten- und Verbraucherschutzes“, fordern Christine Berek und Prof. Marina Fuhrmann.
Tipp: Weitere Infos zur Kinderosteopathie aus der Praxis
In Folge 6 unseres Podcasts „Nachgefragt…“ gibt BVO-Mitglied Monika Brombacher, die eine zusätzliche Ausbildung in Kinderosteopathie hat, einen Einblick in die Arbeit ihrer Kinderosteopathie-Praxis und was die kleinen Patienten dort erwartet.
Quellen:
[1] FORSA, Osteopathie in Deutschland. 2024. www.osteopathie.de/forsa_2024
[2] Franke H, Franke JD, Fryer G. Effectiveness of osteopathic manipulative treatment for pediatric conditions: A systematic review. J Bodyw Mov Ther. 2022 Jul;31:113-133. doi: 10.1016/j.jbmt.2022.03.013. Epub 2022 Mar 24. PMID: 35710210.
[3] Franke, H. and G. Prediger, Und die Osteopathie wirkt doch!: Eine Entgegnung zu dem Artikel „Dreimonatskoliken: Alternativmedizin ohne nachgewiesenen Effekt“ von Elke Oberhofer. Osteopathische Medizin, 2023. 24(3): p. 42-44.
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Interessantes über den/die Autoren
Jacqueline Damböck
Von Kindesbeinen an hat Jacqueline Damböck mit Gesundheitsthemen zu tun: Aufgewachsen in einer Massagepraxis und später Physiotherapie hat sie sich daneben schon immer für Medien und den Journalismus interessiert. Nach der kaufmännischen Ausbildung im Verlag absolvierte sie daher das Ressortjournalismus-Studium mit Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach.
Im Anschluss sammelte sie Erfahrungen als Fachredakteurin, freie Journalistin und Werbetexterin. Bevor sie zum bvo wechselte war sie Chefredakteurin der CO.med.
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