Osteopathie und Rückenschmerzen während der Schwangerschaft

17.10.23
Schwangere Frau mit Rückenschmerzen
Schmerzen im unteren Rücken treten oft im letzten Drittel der Schwangerschaft auf. Die Osteopathie kann hier wirksam unterstützen und den Körper zugleich optimal auf die Geburt vorbereiten. Foto: fizkes – stock.adobe.com

Jede zweite Schwangere klagt im Laufe der Schwangerschaft über Rückenschmerzen. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, welch fundamentale Verwandlung der weibliche Körper während der Schwangerschaft zu durchlaufen hat. Durch die Gewichtszunahme und das wachsende Baby in der Gebärmutter verlagert sich der Körperschwerpunkt nach vorn, zugleich wird der Halteapparat an der Wirbelsäule instabiler. Viele Frauen nehmen im Laufe der Schwangerschaft eine Schonhaltung ein, schieben den Bauch nach vorne und gehen ins Hohlkreuz. Fehlbelastungen wie diese führen zu Rückenschmerzen, sehr oft in Verbindung mit Schmerzen an der Schambeinfuge, weiß Susanne Dreyer, die sich seit vielen Jahren besonders mit gynäkologischen Themen in der Osteopathie befasst.

Damit das Kind besser den Geburtskanal passieren kann, bereitet sich der Körper schon viele Monate vor der Geburt vor. Hormone wie Relaxin sorgen dafür, dass Sehnen, Bänder und Knorpel dehnbarer und weicher werden. Diese gelockerten Bänder können die wachsende Körperlast allerdings nicht mehr so gut tragen und ziehen den Körper nicht selten in schmerzauslösende Asymmetrien und Verspannungen.

Rückenschmerzen haben oft eine lange Vorgeschichte

Verstärkend wirken dabei Dysfunktionen, die bereits vor der Schwangerschaft existierten. „Jeder Körper hat ja schon seine Geschichte, bevor die Schwangerschaft beginnt“, erklärt Susanne Dreyer. „Es können bestimmte Einschränkungen seit der eigenen Geburt bestehen oder auch Narben von Operationen oder Verletzungen, Verklebungen, Zysten im Unterleib. Jedes dieser erlebten Traumata hat einen gewissen Einfluss auf den gesamten Körper – und kann so auch die Statik der Gebärmutter mit ihrer zentralen Position im Becken ungünstig beeinflussen.“

Der Zug der Gebärmutter wächst im Laufe der Schwangerschaft

Anatomie Schwangerschaft, Fötus
Während der Schwangerschaft ist der weibliche Körper ständigen Veränderungen ausgesetzt. So können sich Beschwerden, die bereits vor der Schwangerschaft vorhanden waren, in dieser Zeit verstärken. Foto: bilderzwerg – stock.adobe.com

Die Position der Gebärmutter kann man sich in etwa wie eine Spinne im Spinnennetz vorstellen: „Sie hängt zentral im Becken, von den Mutterbändern sowie den Bändern von Kreuzbein und Ilium (Darmbein) gehalten“, so Dreyer. „Und das bedeutet: Je größer und schwerer sie im Laufe der Schwangerschaft wird, um so stärker wirkt sich der Zug auf die Bänder und die damit verbundenen Körperregionen aus. Wenn hier bereits einseitige Belastungen und Dysfunktionen vorhanden sind, verstärken sie sich während der Schwangerschaft.“ Diese Fehlbelastungen betreffen besonders häufig die Schambeinfuge, auch Symphyse genannt, das Zwerchfell und den Hüftbeuger, der mit dem Zwerchfell über Faszien verbunden ist, die Wirbelsäule und das Kreuzbein.

Schmerzen im unteren Rücken nehmen meist im Laufe des letzten Drittels der Schwangerschaft zu, können aber auch bereits in der Frühschwangerschaft auftreten. Hinzukommen können andere Schwierigkeiten wie zum Beispiel eine rückwärtsgeneigte Gebärmutter, die zusätzlich für schmerzhaften Zug auf den Faszien sorgt.

Im Körperzentrum hängt alles eng zusammen

Etwa die Hälfte aller Frauen, die mit Rückenschmerzen während der Schwangerschaft zu ihr kommen, schätzt Dreyer, hätten auch mit Schmerzen an der Symphyse zu kämpfen. Die Schambeinfuge ist während der Schwangerschaft stark belastet. Das kann Folgen für die gesamte Statik des Beckens und der Hüften mit sich bringen.

Osteopathie kann dazu beitragen, Auslöser für Beschwerden wie Rücken- und Schambeinschmerzen ausfindig zu machen und zu behandeln. Für die Diagnose testet die Osteopathin unter anderem mit sanften Griffen zum Beispiel die Becken- und Zwerchfellbeweglichkeit, tastet die mit der Gebärmutter verbundenen Bänder ab und führt spezielle osteopathische Tests durch.

Wie findet eine osteopathische Behandlung während der Schwangerschaft statt?

Osteopathie schafft Gleichgewicht im schwangeren Körper
Ziel der osteopathischen Behandlung während der Schwangerschaft ist es, ein Gleichgewicht im Körper herzustellen. Dabei liegen die Schwangeren meist seitlich oder sitzen, sodass die Patientin sich gut bewegen kann. Die Techniken werden besonders behutsam eingesetzt. Foto: Dmitry Naumov – stock.adobe.com

„Das Ziel der osteopathischen Behandlung ist immer, alles in ein Gleichgewicht zu bringen. Das gilt auch für eine Behandlung von Rückenschmerzen in der Schwangerschaft“, erklärt Dreyer. „Bei der Behandlung von Schwangeren setzt man in der Osteopathie bewusst besonders vorsichtige Techniken ein und arbeitet viel im Sitzen oder in Seitenlage, damit die Frau sich gut bewegen kann.“

Dafür versucht Susanne Dreyer, die sich auf Kinderosteopathie und Osteopathie für Frauen spezialisiert hat, zunächst die knöchernen Strukturen ins Gleichgewicht zu bringen und die faszialen Spannungen im Körper behutsam zu lösen: „Man geht dabei in Kontakt mit den Organen, der Rückenmarkshaut, dem Zwerchfell, aber auch mit dem Kind, mit der Plazenta oder mit dem Uterus. Und natürlich geht es auch darum, die Kindsposition optimal zu beeinflussen und die Spannung im Unterleib sanft so zu lösen, dass eine optimal Beckenöffnung bei der Geburt möglich sein kann.“

Beweglichkeit als gute Geburtsvorbereitung

Oft sind Schmerzen im unteren Rücken ein Zeichen für Dysfunktionen und Beweglichkeitsdefiziten des Beckens. Eine osteopathische Behandlung dieser Probleme steht so auch im Zusammenhang mit dem Thema Geburtsvorbereitung. „Denn es ist sehr wichtig, dass sich das Becken für die Geburt richtig bewegen und damit das Kind optimal positionieren kann. Beckenendlagen oder Querlagen können damit vermindert werden“, erklärt das BVO-Mitglied.

Empfehlenswert sei daher auch eine präventive osteopathische Behandlung, um Verspannungen, Blockaden und Fehlstellungen im unteren Rücken entgegenwirken zu können. Das gelte sowohl für die Frühschwangerschaft, wo es vor allem um die positiven Effekte auf die Durchblutung und die Entspannung des Gewebes gehe, als auch für die Zeit zwischen der 26. und 30. Schwangerschaftswoche. „Da liegt der Fokus dann wirklich auf der Kindslage: Das heißt, das Kind sollte sich optimal in Schädellage einstellen, das mütterliche Becken sollte frei beweglich sein.“

Tipps für Schwangere, um Rückenschmerzen zu vermeiden

Schwangerschafts Yoga
Expertinnen-Tipp: Sofern keine Kontraindikationen vorliegen, dürfen Schwangere durchaus sportlich, über die Schwangerschaftsgymnastik hinaus, tätig sein. Auch Atemtechniken und Meditation können für Frauen hilfreich sein. Foto: New Africa – stock.adobe.com

Doch auch außerhalb der osteopathischen Behandlung können die werdenden Mütter aktiv etwas gegen die Rückenschmerzen und für eine gute Geburtsvorbereitung tun. Susanne Dreyer empfiehlt ihren Patientinnen insbesondere:

„Es darf ruhig gern etwas mehr Sport als nur ein bissel Schwangerschaftsgymnastik sein“, sagt sie, „aber natürlich nur, wenn keine Kontraindikationen vorliegen wie zum Beispiel Ödeme, hoher Blutdruck oder ein verkürzter Gebärmutterhals.“

Da einiges beachtet werden und gerade auch in der Frühschwangerschaft besonders sanft behandelt werden muss, ist es für Schwangere, die unter Rückenschmerzen leiden, auf jeden Fall empfehlenswert, sich an eine möglichst gynäkologisch versierte Therapeutin zu wenden. Expertise in diesem Feld vermittelt nicht zuletzt die „Woman‘s Health Master“-Ausbildung in Frankfurt.

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Quellen:

https://www.frauenaerzte-im-netz.de/erkrankungen/rueckenschmerzen/kreuzschmerzen-in-der-schwangerschaft/

https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/die-schwangerschaft/beschwerden-und-krankheiten/beschwerden/rueckenschmerzen/

https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/beschwerden-und-krankheiten/beschwerden/symphysen-schmerzen/

https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=195478

https://www.babelli.de/osteopathie-in-der-schwangerschaft/

https://osteopathie-schule.de/osteopathie-in-der-schwangerschaft-einfluss-auf-lumbalgie-und-mobilitat/

https://www.mdpi.com/2227-9032/10/8/1566

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27661020/



Interessantes über den/die Autoren


Kirsten Wenzel

Kirsten Wenzel

Kirsten Wenzel arbeitet seit vielen Jahren als Fachjournalistin für Gesundheitsthemen. Sie hat das Redakteurshandwerk von der Pike auf an einer Journalistenschule und in mehreren Tageszeitungs- und Rundfunkredaktionen gelernt. Als Autorin für Body&Mind schwenkt sie besonders gern die Fahne der Prävention.

Sie übersetzt leidenschaftlich gern komplexe Fachinhalte in interessante und verständliche Geschichten für Patienten und Angehörige, nutzt Empathie und Fingerspitzengefühl, wann immer es angezeigt ist – und stellt Experten hartnäckig all die Fragen, auf die Laien eine Antwort erwarten.

Susanne Dreyer

Seit rund 25 Jahren ist Susanne Dreyer Physiotherapeutin in eigener Praxis. Zusätzlich ist sie Heilpraktikerin und hat eine Ausbildung in Osteopathie und Kinderosteopathie abgeschlossen. Ihr beruflicher Schwerpunkt liegt in den Fachbereichen Gynäkologie, Pädiatrie und Kinderwunsch. Susanne Dreyer hat dazu Fortbildungen u.a. als ADHS/ADS-Coach, Hormonausbildung sowie einen Womens Health Course am Molinari Institut absolviert.

 

Kontakt:

susanne@dreyer-herxheim.de

www.osteo-dreyer.de