Osteopathie und Babyschlaf: Tipps für besseren Schlaf und Entspannung
20.10.25
Babys schlafen zwar viel, doch Eltern erleben den Schlaf oft anders. Wie können sie diese Herausforderung meistern? Im Interview spricht Marion Otto, Kinderärztin i.A. und Kinderosteopathin, über den komplexen Schlaf von Säuglingen, welche Ansätze hilfreich sein können und welche Rolle Entspannung dabei spielt. Zudem geht es um die Frage, wie Osteopathie Eltern und Babys unterstützen kann.
„Schlaf ist sehr individuell und gerade im ersten Jahr nicht planbar. Lassen Sie sich nicht beunruhigen von Sprüchen wie „Sie muss doch aber schon durchschlafen“. Das ist völliger Quatsch. Alles kann, nichts muss.“
Marion Otto
Säuglinge und Babys schlafen pro Tag laut Statistik mehr als die Hälfte des Tages. Für die Eltern nur gefühlt – besonders nachts. Was können Eltern tun?
Gelassen an die Sache ran gehen. Einen „richtigen“ Schlafrhythmus entwickeln Säuglinge etwa mit 6 Monaten. Schlaf ist eine sehr individuelle Angelegenheit.
Vor allem sollte man die Schlafenszeit des Kindes auch für sich nutzen und sich mit hinlegen. Oder die Familie mit einspannen und feste „Schiebezeiten“ einführen, damit man sich als Mama in der Zeit selbst hinlegt. Kraft tanken ist in solch anstrengenden Lebensphasen das wichtigste.
„Schlaf ist komplex. Babyschlaf gänzlich anders“ ist ein Zitat von Dr. Daniela Dotzauer – und ich liebe es, weil es so treffend ist.

Was ist eher kontraproduktiv bei der Schlafbegleitung?
Sich auf Teufel komm raus auf feste Schlafenszeiten versteifen, kann sehr stressig sein für alle Beteiligten. In den ersten Monaten ändert sich das Schlafverhalten gefühlt alle paar Tage. Bedingt durch das Wachstum, die körperliche Entwicklung, die Entdeckungen tagsüber und das Verarbeiten nachts, die ersten Zähne, den Beikost-Start usw.
Für die Mama und auch das Baby ist daher wichtig: Gutes Einschlafen gelingt nur aus der Entspannung heraus. Entspannung dabei nur über das Wohlfühlen. Deshalb: viel Kuscheln, eine warme angenehme Sprache verwenden, die Umgebung anpassen und frühzeitig eine Abendroutine etablieren.
Durchschlafen – warum klappt das bei den meisten Babys nicht?
Das ist eine komplexe Frage und nicht einfach zu beantworten. Denn: das kindliche Gehirn befindet sich noch im Entwicklungsprozess. Schlaf ist aber eine komplexe Hirnleistung, die teilweise erst erlernt wird, aber auch in unseren Genen steckt.
Für einen Säugling ist alles neu. Die Umgebung, Gerüche, Schwerkraft, Nahrung, Verdauung, Tag- und Nachtrhythmus, Schlafen und Wachen. Manchmal sind die Babys unruhig durch ihre eigenen Reflexe, wie z.B. den Moro-Reflex. Manchmal sind sie unruhig, weil sie zu müde sind zum Trinken, aber auch zu hungrig zum Schlafen. Eine Anpassung des Schlafrhythmus erfolgt mit den Eltern und über wiederkehrende Erfahrungen. Denn ein Kind lernt mit der Hilfe der Eltern sein Verhalten zu regulieren. Das Wachsein, das Schlafen und den Übergang von Wachsein zum Schlafen.
Ist das vom Alter des Kindes abhängig?
Auf jeden Fall! Im ersten Lebensjahr ändert sich das Schlafverhalten ständig.

Wie sieht das Schlafverhalten in den ersten drei Lebensmonaten aus?
Sie sind geprägt von anfangs bis zu 15 bis 18 Schlafstunden. Müdigkeitsanzeichen gibt es noch kaum. Einschlafen gelingt meist leicht, wenn die Babys müde sind, auch mit Lärm und Helligkeit. Diese Zeit ist außerdem geprägt von kurzen Wachzeiten. Es gibt noch keinen Tag-Nacht-Rhythmus. Die Babys lernen: der Tag ist lebendig, voller Aktivitäten, Geräusche, regelmäßiges Essen. Die Nacht ist ruhiger, dunkel, gewickelt wird nur, wenn es sein muss, Essen ist weniger, es gibt kaum Ansprache.
Wie entwickelt sich der Schlafrhythmus bei den Babys dann weiter?
Mit etwa drei Monaten beginnt es sich selbst zu regulieren, lernt zu kommunizieren (lächeln, hinterher blicken, fixieren, lautieren, reagiert auf Bezugspersonen). Somit kann es seine Bedürfnisse schon viel zielgerichteter äußern. Eltern gewinnen mehr Sicherheit, haben sich in die Rolle eingefunden und verstehen ihr Kind immer besser. Der Tag beginnt oft zeitig, aber die Babys sind nicht lange wach. Nach dem Vormittagsnickerchen kommt eine kurze Wachphase und anschließend der Mittagsschlaf. Gefolgt von ein bis zwei Schläfchen am Nachmittag.
Sind tagsüber nur noch kurze Nickerchen möglich? Dann: Je kürzer die Nickerchen, desto mehr braucht es davon. Wird aber der Nachtschlaf davon beeinträchtigt und schlechter? Lieber tagsüber reduzieren.
Ungefähr ab welchem Alter hat sich das Baby an den Tag-Nacht-Rhythmus gut gewöhnt?
Mit sechs Monaten ist die innere Uhr normalerweise ausgereift. Gewohnte Abläufe zum Essen und Schlafen werden gerne angenommen und bringen Sicherheit. Aber nicht bei jedem Kind!
Es gibt oft noch drei längere Schläfchen: eins am Vormittag, am Mittag und am Nachmittag. Meist gelingt die Umstellung nicht so reibungslos und längere Phasen von Unruhe und Knatschen stellen sich ein. Manchmal gelingt das Einschlafen in dieser Phase am Tag leichter und nachts wird es wieder etwas unruhiger.
Mit etwa zwölf Monaten steht die Balance zwischen Selbstregulation („ich will das allein machen“) und Sicherheit sowie („gebt mir Nähe“) im Vordergrund. Was heißt das für den Schlaf?
Ich empfehle hier z.B. nachts mehrere Schnuller im Bett liegen zu haben. Das hilft dem Kind sich selbst zu helfen, falls ein Schnuller aus dem Bett kullert. Meist gibt es in dieser Phase nur noch Mittagschläfchen, aber auch zwei Schläfchen sind nicht schlimm.
Ganz kurz – was können sich die Eltern merken?
Bis zum Alter von drei Monaten lernen Kinder, also geht das Einschlafen ganz leicht. Bis sie etwa neun Monate alt sind, ist das Aufwachen kein Problem und bis sie dann etwa ein Jahr alt sind, wissen sie, dass sie ein- und weiterschlafen können.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Osteopathie?
Manchmal gelingt der Schlaf in den ersten Monaten auch nicht gut, weil eine ligamentäre oder muskuläre Dysbalance im Vordergrund steht. Das Baby kommt nicht in die Entspannungsphase, die so wichtig für ein gutes Ein- und Durchschlafen ist. Vielleicht, weil es lange einseitig im Mutterleib lag, schon während der Schwangerschaft viel Stress erlebt hat oder ein anstrengender Geburtsvorgang (sei es zu kurz oder sehr lang) Verspannungen hervorgerufen hat. Da kann man osteopathisch sehr gut eingreifen, das System beruhigen und Verspannungen lösen. Besonders die kraniosakrale Osteopathie bietet hier viele Ansätze.
Ab wann bzw. ab welchem Zeitpunkt können Eltern mit ihrem Baby bei einem Osteopathen vorstellig werden?
Es gibt keinen perfekten Zeitpunkt. Ich arbeite nebenbei noch in einer Geburts- und Kinderklinik und empfehle dort den Mamas schon direkt nach der Geburt Osteopathie, wenn mir beim Neugeborenen Auffälligkeiten ins Auge stechen.
Zum Beispiel?
In Bezug auf das Schlafverhalten kann es auch vorkommen, dass die Säuglinge nicht satt sind, also es vielleicht Probleme beim Stillen gibt. Hier kann auch die Hebamme ihr fundiertes Wissen zum Einsatz bringen, evtl. ist das Abpumpen der Muttermilch eine Lösung. Es gibt aber auch einen Bereich im Mundboden, der den Saug- und Schluck-Vorgang reguliert und der hier Dysbalancen vorweist. Dann kann beispielsweise eine osteopathische Behandlung sinnvoll sein.
Oder auch, wenn mir auffällt, dass das Baby eine bestimmte Haltung es Kopfes bevorzugt einnimmt. Hier könnten dann Spannungen zugrunde liegen, die es in diese Position „zwingen“, weil die Kleinen in der anderen Haltung sonst Schmerzen haben. Auch diese Spannungen lassen sich mit Osteopathie lösen und unterstützen Säuglinge beim Einschlafen.
Was sind Ihre (osteopathischen) Tipps für verzweifelte Eltern?
Ruhe bewahren und sich Hilfe holen. Sei es über Verwandte oder Familie, die feste Schiebezeiten übernehmen, während denen sich die Eltern ausruhen können. Vor allem auch Papa mit einbinden, der von Anfang an das Baby abends ebenfalls hinlegt.
Und: Babys schlafen meist in der ersten Nachthälfte am längsten. Nutzen Sie die Zeit und legen sich mit hin!
Was ich den Eltern in meiner Praxis auch immer zeige: ruhiges Handling! Vermeiden Sie beim Handling mit ihrem Säugling schnelle ruckartige Bewegungen. Das irritiert die Kleinen anfangs oft unnötig und löst kindliche Reflexe aus, die die Babys stören. Lieber langsam heben und tragen und nicht zu hastig an- oder ausziehen.
Außerdem kann die Osteopathie Säuglinge und Kinder in ihrem Entwicklungsprozess oder bei Beschwerden nachweislich unterstützen. Ich empfehle hier gezielt auf die Ausbildung des Osteopathen zu achten, denn es gibt eine spezielle Zusatzausbildung in Kinderosteopathie. Diese spezialisierten Therapeuten werden beim bvo mit dem Kinderwagen-Symbol gekennzeichnet. So erkennen Patienten sofort, dass eine qualifizierte Osteopathie-Ausbildung sowie eine entsprechende spezialisierte Fortbildung vorliegt.
Weitere Informationen
Hilfe können Sie sich u.a. auch bei folgenden Stellen holen:
- Elterntelefon: 0800 111 0 550 (anonym & kostenfrei)
- Die Seite „elternsein“ bietet u.a. eine Übersicht an Schreiambulanzen in Deutschland. Aber auch Hilfe und Beratung für Schwangere, Eltern mit Kindern (bis 3 Jahre) und Betreuungspersonen.
- Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen bietet darüber hinaus auch Fachkräften weitere Infos, Arbeitshilfen und Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis.
Interessantes über den/die Autoren

Marion Otto
Marion Otto ist Kinderosteopathin, Ärztin und befindet sich gerade in der Facharztausbildung zur Kinderärztin. Sie ist in eigener Praxis in Finsterwalde und selbst Mutter zweier Mädchen.
Sie hilft Eltern, die Baby- und Kleinkindzeit mit Sicherheit, Selbstvertrauen und fundiertem Wissen zu meistern.
Kontakt:
@diekinderosteopathin
www.marionotto.com

Jacqueline Damböck
Von Kindesbeinen an hat Jacqueline Damböck mit Gesundheitsthemen zu tun: Aufgewachsen in einer Massagepraxis und später Physiotherapie hat sie sich daneben schon immer für Medien und den Journalismus interessiert. Nach der kaufmännischen Ausbildung im Verlag absolvierte sie daher das Ressortjournalismus-Studium mit Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach.
Im Anschluss sammelte sie Erfahrungen als Fachredakteurin, freie Journalistin und Werbetexterin. Bevor sie zum bvo wechselte war sie Chefredakteurin der CO.med.
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