Osteopathie bei Sportverletzungen?
19.09.25
Damiano Belvedere ist seit über 30 Jahren in eigener Physiotherapie- und Osteopathie-Praxis tätig und hat sich dort auf Sportverletzungen spezialisiert. Seit vielen Jahren betreut er Spitzensportler und Hobby-Athleten aus unterschiedlichen Sportarten und weiß, wo die Osteopathie im Sport hilfreich eingesetzt werden kann, wo sie sogar präventiv ihren Beitrag leistet, um Verletzungen zu minimieren und was sie für Sportler tun kann, wenn sie verletzt sind.
Bei welchen Arten von Verletzungen ist es sinnvoll, die Osteopathie einzusetzen?
Prinzipiell macht die Osteopathie immer Sinn! Bis auf wenige Ausnahmen (wie z.B. bei Knochenbrüchen oder Infektionen) ist die Osteopathie sinnvoll und eine gute Empfehlung.

Ist eine Verletzung immer wie jede andere auch?
Nein. Wir unterscheiden die verschiedenen Phasen einer Verletzung, die der Sportler „mitbringt“.
Davor befinden wir uns in der Prävention. Ziel hierbei ist es, die Risiken einer Verletzung zu reduzieren bzw. für „alte“ Verletzungen Kompensationsstrategien zu erarbeiten.
Hat der Sportler bzw. die Sportlerin gerade eine Verletzung erlitten, dann sprechen wir von der akuten oder subakuten Phase. Hier wenden wir Maßnahmen an, die sich auf eine schnellere Regeneration beziehen und bei der Heilung unterstützen.
Danach geht das direkt über in die Rehabilitation, also wenn die (akute) Verletzung bereits geheilt ist, bspw. nach einem Knochenbruch oder Bänderriss. Speziell hier versuchen wir die Belastbarkeit der betroffenen Regionen wieder aufzubauen und die sportartspezifische Effektivität zu unterstützen.
Wie findet die Osteopathie einen präventiven Ansatz bei Sportverletzungen?
Indem ich regulierend im Vorfeld therapiere, desto geringer ist die Gefahr von Verletzungen!
Viele Sportler wissen, dass ein gut gepflegter Körper (alias „Sportgerät“) wichtig ist und sind dankbar für osteopathische Begleitung. Eben im Sinne der Vorsicht. Sie wissen alle: Vorsicht ist besser als Nachsicht.
Welche Verletzungen kommen denn bei Sportlern häufig vor?
Am häufigsten sind Prellungen, Zerrungen, Teil- und Komplettrisse, Sehnenentzündungen, Muskelschmerzen sowie ganz allgemein Schmerzen. Aber je nach Sportart eben an unterschiedlichen Körperbereichen.
Wie gehen Sie vor, wenn ein Sportler zu Ihnen kommt, der bspw. Schmerzen im Fuß hat?
Zunächst führe ich – wie bei jeder osteopathischen Behandlung – eine ausführliche Anamnese durch. Zusätzlich klappere ich die W-Fragen ab:
- Was ist passiert und wie haben Sie sich verletzt?
- Was haben Sie gespürt?
- Wo, wann und wie schmerzt es?
- Wie ist die momentane Trainings-/Wettkampfs- und persönliche Belastung?
- Und: Ist das Ihre erste Verletzung?
Gerade bei Sportlern – egal, ob Hobby- oder Profiathleten – frage ich auch immer, wie die Belastung im Training und/oder im Wettkampf ist. Das gibt mir als Therapeut auch wichtige Hinweise auf die Ursache der Schmerzen bzw. Beschwerden.
Dann kommt die „Inspektion“. Ich schaue, wie die komplette Körperstatik des Patienten aussieht – ist alles „gerade“? „Gerade“ im Sinne einer Sportartspezifik, denn bestimmte Sportarten haben z.B. eine Tendenz zur Verdrehung der Wirbelsäule, einer Rotation, die bei Werfern eben zu einem gewissen Maße dort hingehört. Das macht u.a. auch den Unterschied zu „normalen“ nichtsportlichen Patienten. Da gibt es spezielle Achsen und Eckpunkte, die ich als geschulter Therapeut erkennen kann.
Aber auch andere Auffälligkeiten wie Rötungen, Narben und ähnliches berücksichtige ich dabei. Insbesondere bei Sportlern frage ich ebenfalls nach der Sportkleidung, welche Schuhe sie z.B. beim Training oder Wettkampf tragen, welche privat und welches Sportequipment sie nutzen.

Eine sehr ausführliche Anamnese geht hier also voran. Und wie geht es weiter?
Danach geht es quasi in die Detail-Inspektion. Ich ertaste und fühle hierbei mit meinen Händen unter der Haut liegende Organe und Strukturen. So kann ich herausfinden, wie sich das Gewebe verhält und auch prüfen, wie schmerzempfindlich der Bereich ist. Man nennt diese Form Palpation. Diese Informationen sind die Grundlage und Navigation einer erfolgreichen Behandlung der vorliegenden Verletzung.
Besonderen Wert lege ich hier auf alle Gelenke und Bereiche, die direkt in die Verletzung involviert sind und auch die benachbarten Strukturen und deren Verlauf im Körper entsprechend ihrer Funktionskette. Somit kann ich hier bereits parallel zur aktuellen Verletzung einen Teil der Präventionsarbeit einarbeiten.
Ist es dabei für Sie als Therapeut relevant, ob es sich bei Ihrem Patienten um einen Hobby- oder Profisportler handelt?
Nein! Und Ja! Nein, weil es keinen Unterschied in der Sportartspezifik hat. Ja, weil die Belastungsanforderungen je nach Leistungsanspruch sehr variieren. Ein Olympia-Training ist eben etwas intensiver als ein (Marathon-)Lauf oder Fußballspiel mit Freunden.
Welche (Lebens-)Bereiche checken Sie bei einer Sportverletzung noch ab?
Alle, denn die Osteopathie ist eine ganzheitliche Methode, die den Patienten holistisch betrachtet. Es spielen ja nicht nur die körperlichen Beschwerden eine Rolle, auch psychische Probleme oder Schlafmangel können sich im Körper z.B. in Form von Schmerzen manifestieren.
Gleichzeitig ist auch die Ernährung und damit die Versorgung mit verschiedenen Nährstoffen essenziell, denn das steht wieder in Verbindung mit der Versorgung unserer Zellen und damit auch, wie die Energiebereitstellung erfolgt. Das ist besonders für Sportler wichtig.
Aus Ihrer Erfahrung heraus: Können Sportler ihre Regenerationszeit nach einer Verletzung mit der Osteopathie verkürzen?
Natürlich! Grundsätzlich behandeln wir in der Osteopathie den gesamten Menschen. Dabei schauen wir uns den Befund der Sportler auch genau an und gehen in unserer Therapie auf alle zusammenhängenden Systeme ein. Bspw. beschleunigt es schon die Regeneration, wenn Blut und Lymphe besser zirkulieren und die Nerven ungestört ihrer Aufgabe nachgehen können. Oder auch Gelenke und größere Körperpartien weiterhin – trotz Verletzung – möglichst mobil halten. Wenn diese extrem ruhig gehalten werden, dann braucht es natürlich entsprechend länger, bis sie wieder beweglich sind – und das Sportlerleben liegt quasi länger brach.
Welche Tipps geben Sie jenen Sportlern noch, um schnell wieder auf die Beine zu kommen?
Aus der Erfahrung heraus muss man Sportler eher bremsen. Daher sollten sie Geduld haben und einem systematischen Aufbau-Training folgen. Außerdem natürlich auf Alkohol und Nikotin verzichten, einen positiven Geist behalten und – ganz wichtig – dosiert in Bewegung bleiben.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Belvedere.
Tipp 💡
Wer mehr aus Sportler-Sicht erfahren möchte, dem legen wir den Blog-Beitrag „Sport-Comeback mit Osteopathie“ ans Herz. Dort erzählt Lorena Brandl, die 5. Platzierte im Taekwondo bei Olympia 2024, wie die Osteopathie sie bei ihrer Rückkehr auf die Matte unterstützt hat.
Interessantes über den/die Autoren

Damiano Belvedere
Seit 1994 ist Damiano Belvedere in eigener Praxis als Physiotherapeut mit Sektoralem Heilpraktiker, Hypnose-Master und Consigliere tätig. 2005 erweiterte er sein Praxisspektrum zusätzlich um die Osteopathie. Sein Fokus liegt dabei auf den Themen Tinnitus, Fibromyalgie, offene Wunden, Sportverletzungen, Traumen und Burn-out.
Besonders im Spitzensport ist Damiano Belvedere seit den frühen 1990er Jahren sehr engagiert: Zunächst bei der BG Ludwigsburg in der 1. Basketball Bundesliga, danach folgten Stationen im Bonhorst Ducati Racing Team, der SV Germania Obrigheim (1. Gewichtheber Bundesliga), der deutschen Gewichtheber-Nationalmannschaft (BVDG), den Olympischen Sommerspielen des DOSB und seit 2017 ist er im Einsatz bei der schweizer Handball-Nationalmannschaft der Männer. Dabei war er an zahlreichen Medaillen-Erfolgen beteiligt!
Mit seinem fundierten Wissen des ganzen Körpers unterstützt er vor allem bei komplexen behandlungsresistenten Krankheitsbildern, Multitraumata und Sportverletzungen.
Kontakt:
db@belvedere-therapie.com
www.belvedere-therapie.com

Jacqueline Damböck
Von Kindesbeinen an hat Jacqueline Damböck mit Gesundheitsthemen zu tun: Aufgewachsen in einer Massagepraxis und später Physiotherapie hat sie sich daneben schon immer für Medien und den Journalismus interessiert. Nach der kaufmännischen Ausbildung im Verlag absolvierte sie daher das Ressortjournalismus-Studium mit Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach.
Im Anschluss sammelte sie Erfahrungen als Fachredakteurin, freie Journalistin und Werbetexterin. Bevor sie zum bvo wechselte war sie Chefredakteurin der CO.med.
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