Was macht ein Kinderosteopath?
19.05.25
Kinder sind ernst zu nehmende, eigene Persönlichkeiten, aber keine kleinen Erwachsenen. Daher unterscheidet sich auch deren Behandlung – egal, ob schul- oder komplementärmedizinisch – von der für Erwachsene. Kein Wunder, denn Kinder durchlaufen nach der Geburt noch eine längere Entwicklung und sind erst mit etwa 21 Jahren „ausgewachsen“. Da Eltern bei ihrem Nachwuchs auch immer mehr auf eine ganzheitliche Betrachtungsweise achten, ist die nächstgelegene Wahl oft der Osteopath. Doch worauf Eltern bei der Osteopathie-Behandlung achten sollten und was sie beim ersten Termin erwartet, erklärt bvo-Beirat Christoph Bellmann, der sich vor 10 Jahren auf die Behandlung von Babys, Kindern und Jugendlichen spezialisiert hat, im Interview.
Was ist Kinderosteopathie und was unterscheidet diesen (Fach-)Bereich von der Osteopathie (für Erwachsene)?
Kinderosteopathen haben eine abgeschlossene Osteopathie-Ausbildung und zusätzlich eine spezialisierte Weiterbildung in Kinderosteopathie abgeschlossen. Hier sollten noch einmal speziell auf Dinge wie die körperliche, motorische und geistige Entwicklung von der Schwangerschaft bis zum Jugendlichen (insbesondere die Phase der Geburt und mögliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Säuglings) sowie typische Beschwerden dieser Lebenszeit (z.B. Wachstumsschmerzen, ADHS) eingegangen worden sein.
Grundsätzlich ist die Anatomie von Kindern ja schon eine ganz andere als bei Erwachsenen. Bei ihnen befindet sich alles noch in der Entwicklung, teilweise sind Strukturen noch nicht (fertig) angelegt. Beim Erwachsenen ist das alles schon da. Daher ist eine spezielle Kenntnis über diese Prozesse und Schritte wichtig für Kinderosteopathen.
Mit welchen Beschwerden kommen die kleinen Patienten in Ihre Osteopathie-Praxis?
Oft sind es undefinierbare Bauchschmerzen, die das Kind oder den Säugling plagen – natürlich kann hier auch die Ernährung eine Rolle spielen. Oft sind es auch Kopfschmerzen und Wachstumsschmerzen, die die Eltern mit ihren Kindern in meine Praxis führen.
Werden Osteopathie-Behandlungen am Kind erstattet?
Grundsätzlich ist die Osteopathie eine Selbstzahlerleistung, doch viele Krankenkassen bezuschussen die Behandlungen durch einen Osteopathen. Welche Modalitäten dafür gegeben sein müssen, das erfahren Sie von Ihrer Krankenkasse. Der Bundesverband Osteopathie e.V. – bvo rät, dass sich Patienten bereits vor der Behandlung direkt mit ihrer Kasse in Verbindung setzen. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der erste Termin beim Osteopathen steht. Was passiert als erstes?
Beim ersten Osteopathie-Termin geht es in aller Regel erst einmal um eines: die Krankheitsgeschichte, also die Anamnese. Das heißt, die Patienten schildern dem Osteopathen, wo ihre Beschwerden liegen, geben Stürze, Traumata und weitere Symptome an. Das ist natürlich auch bei den kleinen Patienten so. Ich unterhalte mich gerne erst einmal mit den Kindern – sofern sie schon sprechen können. Aus der Erfahrung heraus weiß ich, dass sie oft etwas anderes erzählen als ihre Eltern.
Gerade bei Jugendlichen sind die Eltern bei diesem Gespräch oft nicht dabei. Die Teenies öffnen sich mir eher, weil ihnen vielleicht etwas peinlich ist oder sie die Beschwerden nicht vor ihren Eltern äußern möchten.
Was sollten Eltern im Idealfall zum Osteopathen noch mitnehmen bzw. parat haben?
Sie sollten in jedem Fall Beschwerden oder Probleme, die ihnen bei ihren Kindern aufgefallen sind, festhalten. Seit wann treten sie auf? Was ist davor passiert? Es mag Eltern oft unbedeutend erscheinen, aber manchmal versteckt sich hier der Schlüssel.
Natürlich sind auch andere medizinische Unterlagen, wie ggf. Röntgenbilder oder Vorbefunde, interessant für Osteopathen. Aber auch, wenn es Auffälligkeiten während der Schwangerschaft gab.

Wie läuft eine Behandlung der Babys, Kinder und/oder Jugendlichen grundsätzlich ab?
Wir nehmen in der Regel Eltern und Kinder bei der Behandlung mit. Das heißt: Ich erkläre genau, was ich gerade tue, warum und wie. Eventuell verdeutliche ich das noch an einem Bild oder Modell. Außerdem entkleiden wir das Kind nur dort, wo wir auch behandeln. Beispielsweise, wenn ich am Brustkorb arbeite, dann bitte ich meine kleinen Patienten das T-Shirt auszuziehen. Muss ich am Bauch eine Behandlung machen, reicht es normalerweise, wenn das T-Shirt hochgezogen wird.
Der Haut-zu-Haut-Kontakt ist wichtig, denn ich arbeite ja nur mit meinen Händen. Sie sind speziell geschult und so versuche ich Spannungen, Verklebungen (z.B. von Faszien) oder ähnliches aufzuspüren, die wiederum verantwortlich für die Beschwerden sein können. Mit den osteopathischen Techniken versuchen wir diese dann zu lösen.
Was ist Ihnen während der osteopathischen Behandlung noch wichtig?
Eltern und natürlich auch die Kinder dürfen jederzeit nachfragen, was ich genau mache. Ich versuche es immer verständlich zu erklären. Normalerweise gebe ich aber auch noch mal ein Fazit nach der Behandlung. Erst dann entscheide ich mit den Eltern, ob eine weitere Behandlung notwendig ist oder nicht.
Erinnern Sie sich noch an einen besonderen Fall?
Ich habe zum Beispiel einmal ein Mädchen behandelt, das noch im Bauch der Mutter einen Schlaganfall erlitten hat. Sie kam zu mir in die Osteopathie-Behandlung und wurde auch noch von anderen Therapeuten betreut sowie anderweitig gefördert. Jetzt macht sie schon ihr zweites Studium! Es gibt Fälle, die wir mit der Osteopathie positiv beeinflussen können.
Vielen Dank für das Gespräch und die Einblicke in Ihre Arbeit, Herr Bellmann.
Interessantes über den/die Autoren

Christoph Bellmann
Kurz nach seinem Abschluss zum Physiotherapeuten machte sich Christoph Bellmann 2003 selbstständig. Zunächst in eigener Praxis in Iphofen, später kam eine weitere in Markt Bibart hinzu. Er schloss sowohl eine Osteopathie-Ausbildung am Institut für angewandte Osteopathie (IFAO) ab sowie ein Bachelor-Studium an der Steinbeis-Hochschule Berlin im Bereich Komplementärmedizin und Management mit der Vertiefungsrichtung Manuelle Medizin und Osteopathie (B.Sc.). Darüber hinaus erwarb er an der St. Elisabethen Universität Bratislava den D.O. Die Kinderosteopathie-Ausbildung und den Tiefencranio-Master ließ er sich universitär zertifizieren.
In seiner Praxis hat Christoph Bellmann sich schwerpunktmäßig auf Kinder und die Tiefencranio spezialisiert. Neben seiner Dozententätigkeit für die Freie Akademie für Osteopathie (FAFO) ist Bellmann Therapeut für Kinderosteopathie im Osteopathischen Kinder-Zentrum Filumi sowie als Prüfer für den Bundesverband Osteopathie e.V. – bvo im Einsatz. Den bvo unterstützt er darüber hinaus seit 2013 als Beirat.
Osteopath zu sein erfüllt ihn, daher möchte er mit seinem Engagement im Verband dazu beitragen, dass das Berufsbild Osteopath im Sinne der Osteopathen geregelt wird.
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Jacqueline Damböck
Von Kindesbeinen an hat Jacqueline Damböck mit Gesundheitsthemen zu tun: Aufgewachsen in einer Massagepraxis und später Physiotherapie hat sie sich daneben schon immer für Medien und den Journalismus interessiert. Nach der kaufmännischen Ausbildung im Verlag absolvierte sie daher das Ressortjournalismus-Studium mit Schwerpunkt Medizin und Biowissenschaften an der Hochschule Ansbach.
Im Anschluss sammelte sie Erfahrungen als Fachredakteurin, freie Journalistin und Werbetexterin. Bevor sie zum bvo wechselte war sie Chefredakteurin der CO.med.
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