Osteopathie als Therapieform bei Kindern mit ADHS

21.08.21

„Ihr Kind hat ADHS“ – für viele Eltern ein Schock und schnell kommen Schuldgefühle auf, die durch unwissende Kommentare aus dem Bekanntenkreis geschürt werden. Das Aufmerksamkeits-Defizit-(Hyperaktivitäts-)Syndrom (AD(H)S) wird hinter vorgehaltener Hand als eine Art „Modediagnose“ für verhaltensauffällige Kinder bezeichnet. Eine Diagnose, die mit dem Vorurteil einer misslingenden Erziehung behaftet ist, in Folge derer die Heranwachsenden den Alltag zu Hause, im Kindergarten oder in der Schule stören. In Wahrheit handelt es sich jedoch um eine neurobiologische Funktionsstörung im Gehirn. Das komplexe Krankheitsbild kann verschiedene Ursachen haben. Statt den betroffenen Kindern Medikamente zu verabreichen, besteht auch die Möglichkeit einer alternativen Behandlungsmethode: Abhängig vom Auslöser des Syndroms kann die Osteopathie eine begleitende oder sogar eine alleinige Therapie darstellen. Bei einer Osteopathie-Sitzung erleben Kinder mit ADHS meist eine tiefe körperliche Entspannung. Das gesamte Nervensystem wird ausgeglichen und die vielen Anspannungen, die das Kind spürt, deutlich reduziert.

Rund 5 % der Kinder und Jugendlichen haben die Diagnose ADHS
Rund 5 % der Kinder und Jugendlichen haben die Diagnose ADHS – Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom. Neben der medikamentösen Behandlung gibt es noch weitere Möglichkeiten ADHS zu therapieren, u.a. mit der Osteopathie. Foto: Mabeline72 / Shutterstock

ADHS ist die häufigste psychische Störung des Kindes- und Jugendalters. Schätzungen des Verbandes „ADHS Deutschland e.V.“ zufolge, sind in der Bundesrepublik knapp 5 % aller 3- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen von der Erkrankung betroffen. Im Vorschulalter liegt die Prävalenz bei etwa 3 %. Jungen erhalten mehr als doppelt so häufig eine Diagnose wie Mädchen, da die leicht zu beobachtende hypermotorische Symptomatik bei ihnen ausgeprägter ausfällt. Das Syndrom macht sich i.d.R. noch vor dem fünften Lebensjahr bemerkbar und zieht sich bis in die Jugendphase. Die Symptomatik kann aber auch bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben.

ADHS äußert sich hauptsächlich durch die drei Kernsymptome

  • Hyperaktivität
  • Unaufmerksamkeit
  • Impulsivität

Diese können in unterschiedlicher Intensität und zeitlich versetzt auftreten.

Wie äußern sich Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität und welche sind weitere typische Verhaltensweisen?

Hyperaktive Kinder und Jugendliche…

  • haben einen übermäßigen Bewegungsdrang,
  • sind oftmals sehr unruhig, zappeln herum und können nicht stillsitzen und
  • reden häufig dazwischen.

Unaufmerksame Kinder und Jugendliche…

  • haben Konzentrationsschwierigkeiten und eine kurze Aufmerksamkeitsspanne,
  • lassen sich leicht ablenken,
  • brechen Aufgaben ab und
  • sind eher vergesslich.
ADHS
Damit tun sich Kinder, die unter ADHS leiden, schwer: Konzentration, aber auch Aufmerksamkeit und Hyperaktivität. Foto: Yulia Raneva / Shutterstock

Impulsive Kinder und Jugendliche…

  • sind ungeduldig,
  • reden gerne und
  • folgen oftmals ihren Impulsen.

Weitere typische Verhaltensweisen können sein:

  • geringe Frustrationstoleranz
  • erhöhte Kritikempfindlichkeit
  • Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Lob
  • Austesten von Grenzen
  • Aggressivität
  • Einschlafprobleme

Die Erkrankung kann außerdem mit anderen Störungen einhergehen, wie bspw. Störungen des Sozialverhaltens, Angststörungen, Depressionen oder Tics. Weiterhin sollte abgeklärt werden, ob Symptome des Syndroms auch anderen Erkrankungen des Organsystems zugeordnet werden können.

Wie entsteht ADHS?

Bisher ist es Wissenschaftlern nicht gelungen, die Ursachen und Entstehungsmechanismen des ADHS vollständig aufzudecken. Es gibt Hinweise, dass genetische Einflussfaktoren mit anderen Aspekten wie bspw. Schwangerschafts- oder Geburtskomplikationen und Umweltfaktoren zusammenwirken. So können auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder psychisch belastende Erlebnisse eine Rolle spielen. Sucht man nach den Auslösern des Syndroms, muss also von einer Multikausalität ausgegangen werden, in der physische, psychische und soziale Aspekte ineinandergreifen.

Das Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren führt zu einer Entwicklungsabweichung neuronaler Abläufe wie einer Veränderung im Neurotransmittersystem. Das bedeutet, dass die Botenstoffe, die im Gehirn eine Verbindung zwischen einzelnen Hirnzellen herstellen, nicht normal arbeiten. In der Folge ist in den Gehirnabschnitten, die für die Konzentration, Wahrnehmung und Impulskontrolle zuständig sind, die Balance der wichtigen Botenstoffe gestört. Diese sind für die Verarbeitung ankommender Reize zuständig, weshalb Eindrücke der Umgebung nicht optimal gefiltert werden können. Es kommt zu einer dauerhaften Reizüberflutung. Bei ADHS sind vornehmlich die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin bedeutend.

Aufgrund der Stoffwechsel- und Funktionsstörungen im Gehirn ist eine ungestörte Selbstregulation nicht möglich. Die Betroffenen sind nur eingeschränkt in der Lage, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren, da sie nicht zwischen wichtigen und unwichtigen Reizen unterschieden können. Zudem ist der Zugriff auf vorhandene Fähigkeiten und Informationen behindert, sodass eine vorausschauende Handlungsplanung erschwert wird.

Aufgrund der Komplexität der ADHS und der individuellen Ausprägung von Patienten zu Patienten, gestaltet sich eine genaue Diagnose oftmals schwierig und ist nicht von jetzt auf gleich zu stellen.

Wie wird ADHS behandelt und warum kann die Osteopathie helfen?

Verspannungen im Körper – Kopf, Rumpf usw.
Verspannungen im Körper – Kopf, Rumpf usw. – können mit osteopathischen Methoden gelöst werden und so kommt auch Ruhe in den Geist von Kindern, die unter ADHS leiden. Foto: BVO

Zur direkten und indirekten Behandlung von ADHS gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die individuell kombiniert werden müssen. Dazu gehören eine Beratung der Eltern, die Zusammenarbeit mit dem Kindergarten oder der Schule, eine Verhaltenstherapie sowie die Einnahme von Medikamenten, die den Stoffwechsel im Gehirn beeinflussen und somit die Symptomatik lindern. Eine osteopathische Behandlung kann ebenfalls sehr wirkungsvoll sein.

„Da bei ADHS physische, psychische und soziale Faktoren zusammenspielen, stellt die Osteopathie im Grunde die ideale Therapieform dar. Denn die osteopathische Behandlungsform basiert ja genau auf dieser ganzheitlichen Herangehensweise, bei der immer alle drei Bereiche betrachtet und für die Behandlung zusammengeführt werden. Voraussetzung ist eine gründliche Anamnese. Hier erkundige ich mich nach bisherigen Erkrankungen, über die soziale und familiäre Situation sowie das Verhalten im Kindergarten bzw. in der Schule oder Zuhause. Niemals, um zu verurteilen, sondern um zu verstehen.“, erläutert BVO-Kinderosteopath Christoph Bellmann B.Sc.. „Im Anschluss erfolgt eine schmerzfreie körperliche Untersuchung, die darüber Aufschluss gibt, ob weitere Therapieansätze hinzugezogen werden müssen oder ob eine osteopathische Behandlung möglicherweise sogar als alleinige Behandlung ausreichend sein kann. Das hängt von der Kernursache der ADHS ab.“

Das Ziel der Osteopathie als sanfte Behandlungsmethode ist es, Spannungen und Dysfunktionen zu lösen sowie die Selbstheilungskräfte des Körpers zu stärken.

„Stellen körperliche Ursachen wie bspw. eine Fehlstellung der Wirbelsäule, Fehlspannungen im Bereich der Schädelbasis oder andere Dysfunktionen – die möglicherweise während der Schwangerschaft oder Geburt hervorgerufen wurden – den Hauptauslöser der ADHS dar, kann eine osteopathische Behandlung vielleicht sogar schon nach wenigen Behandlungen die Symptome deutlich lindern“, so BVO-Kinderosteopath Christoph Bellmann B.Sc.

Mit Hilfe der Osteopathie können Heranwachsende mit ADHS erfolgreich behandelt werden – sei es begleitend zu anderen Therapien oder sogar alleinstehend. Wird ADHS frühzeitig diagnostiziert, wie es i.d.R. der Fall ist, können betroffene Kinder im Vorschulalter sowie deren Eltern dem Schulbeginn auch trotz der Diagnose entspannt entgegenblicken.

Damit Ihr Kind die optimale Behandlung erfährt, sollten Sie sich an einen Kinderosteopathen wenden. Eine große Auswahl an qualifizierten Kinderosteopathen finden Sie über das Suchfeld auf der Startseite.


Interessantes über den/die Autoren


Anja Reinhardt

Seit 2016 führt Anja Reinhardt eine eigene PR- und Contentagentur im Hotel-, Tourismus- und Gesundheitsbereich. Schon während ihres Studiums der Kommunikationswissenschaften mit Schwerpunkt Public Relations hat sie erste Erfahrungen im PR-Bereich gesammelt. Danach war sie u.a. bei der Bayern Tourismus Marketing GmbH und als stv. Geschäftsführerin des Oberbayern München Tourismus e.V. tätig. Online-Texte, PR-Konzepte und Social Media sind ihr täglich Brot – inkl. einem besonderen „G’spür für Geschichten“.

Kontakt:
presse@bv-osteopathie.de

Christoph Bellmann

Kurz nach seinem Abschluss zum Physiotherapeuten machte sich Christoph Bellmann 2003 selbstständig. Zunächst in eigener Praxis in Iphofen, später kam eine weitere in Markt Bibart hinzu. Er schloss sowohl eine Osteopathie-Ausbildung am Institut für angewandte Osteopathie (IFAO) ab sowie ein Bachelor-Studium an der Steinbeis-Hochschule Berlin im Bereich Komplementärmedizin und Management mit der Vertiefungsrichtung Manuelle Medizin und Osteopathie (B.Sc.). Darüber hinaus erwarb er an der St. Elisabethen Universität Bratislava den D.O. Die Kinderosteopathie-Ausbildung und den Tiefencranio-Master ließ er sich universitär zertifizieren.

In seiner Praxis hat Christoph Bellmann sich schwerpunktmäßig auf Kinder und die Tiefencranio spezialisiert. Neben seiner Dozententätigkeit für die Freie Akademie für Osteopathie (FAFO) ist Bellmann Therapeut für Kinderosteopathie im Osteopathischen Kinder-Zentrum Filumi sowie als Prüfer für den Bundesverband Osteopathie e.V. – BVO im Einsatz. Den BVO unterstützt er darüber hinaus seit 2013 als Beirat.

Osteopath zu sein erfüllt ihn, daher möchte er mit seinem Engagement im Verband dazu beitragen, dass das Berufsbild Osteopath im Sinne der Osteopathen geregelt wird.

Kontakt:

christoph.bellmann@bv-osteopathie.de

www.bellmann-osteopathie.de


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