Osteopathie ist olympisch

09.02.18

Am Freitag starten die Olympischen Winterspiele. Fast 300 Athleten aus rund 100 Staaten kämpfen in 15 Sportarten und über 100 Wettbewerben um Gold, Silber und Bronze. Wieder mit dabei sind zahlreiche Osteopathen in den Betreuerstäben der Athleten und Mannschaften. Wir sprechen mit Tim Siekmann über Hintergründe und Bereiche für den Einsatz osteopathischer Therapien für Sportler. Als Physiotherapeut, Osteopath und früherer Eishockeytorhüter des DEL-Vereins Iserlohn Roosters sowie Betreuer der Para-Eishockeynationalmannschaft spricht er aus eigener Erfahrung.

Seit den Olympischen Sommerspielen 2012 in London werden Osteopathen auch in der Öffentlichkeit als Teil der Betreuerstäbe wahrgenommen. Warum setzen Leistungssportler auf die Unterstützung durch Osteopathie?

Viele haben einfach die Wirkung der Osteopathie erkannt. Und es werden ständig mehr, genauso wie im Freizeit- und Hobby-Bereich. Leistungssportler haben quasi einen natürlicheren Zugang zur Osteopathie. Sie arbeiten viel mit ihren Muskeln, Sehnen, mithin dem gesamten Bewegungsapparat. Sie haben den Blick für ihren Körper und verstehen, dass die Osteopathie einen holistischen Gedanken verfolgt, den Körper als Ganzes begreift und alle Körpersysteme integriert betrachtet.

Tim Siekmann

Tim Siekmann ist nicht nur Osteopath und betreut die deutsche Para-Eishockeynationalmannschaft, sondern hat selbst als Torwart Eishockey gespielt. Fotos: privat

Sie betreuen Athleten aus dem Bereich Para-Eishockey. Welche Ansatzpunkte sehen Sie als Osteopath für die Sportart?

Ich betreue mit der paralympischen Eishockeynationalmannschaft natürlich noch einmal einen ganz besonderen Typ der Leistungssportler. Sie sind körperlich beeinträchtigt und haben in der Vergangenheit Traumata erfahren und leiden dadurch beständig unter körperlichen Stress. Oft führt das zu kraniosakralen Dysfunktionen. Eine osteopathische Behandlung des autonomen Nervensystems ist aus meiner Sicht unabdingbar. Zudem kann auch das paralympische Eishockey selbst zu Funktionsstörungen führen. Es kommt zu einer dauerhaft hohen Belastung des großen Rückenmuskels (Latissimus), wodurch Störungsketten entstehen können bis hin zum Solar Plexus und autonomen Nervensystem. Dort setzen wir als Betreuer mit der Osteopathie ebenfalls an.

Inwieweit gibt es aus Ihrer Sicht als Osteopath einen Unterschied zwischen der Betreuung von Sommer- und Wintersportlern?

Es geht weniger um den Unterschied zwischen Sommer- und Wintersportlern. Aus meiner Sicht geht es um das Thema einer sportartspezifischen Betreuung. Jede Disziplin hat ihre eigene Ausprägung auf Basis der eigenen Kondition, die Kraft, Ausdauer und Koordination umfasst. Aus dem Blickwinkel der Osteopathie ist bei den spezifischen Belastungen etwa durch die jeweiligen sportarttypischen Bewegungen anzusetzen. Ein Skilangläufer hat hier andere Anforderungen als etwa ein Skiabfahrer oder ein Triathlet. Zwar werden Wintersportler im Sommer geformt und Sommersportler im Winter – aus osteopathischer Sicht wiegt dieser Unterschied jedoch nicht schwer. Für beide bietet die Osteopathie wirksame Ansätze. Wenn überhaupt müssen Wintersportler einen stärkeren Blick auf ihr Immunsystem lenken.

Wie stehen Verbände und Trainer dem Einsatz der Osteopathie gegenüber?

Para-Eishockey

Para-Eishockey beansprucht zu einem hohen Maße den großen Rückenmuskel. Osteopathie bietet Ansätze, den daraus resultierenden Funktionsstörungen vorzubeugen.

Trainer und Manager stehen der Osteopathie sehr positiv gegenüber, da sie das Beste für ihre Athleten wollen. Zurzeit denkt man jedoch bei der medizinischen Betreuung von Sportmannschaft zuerst an Physiotherapeuten, da diese in den Medien durch ihre Behandlung der Athleten häufig erwähnt werden. Die Osteopathie sollte es sich zum Ziel setzen, ein Bestandteil dieser Betreuung im Leistungssport zu werden. Dazu gehört vor allem eine gute Koordination zwischen Physiotherapeuten, Mannschaftsarzt und Osteopathen. Wenn diese Symbiose stimmt, werden den Athleten eine optimale Behandlung und Betreuung geboten.

Osteopathie setzt sich immer mehr im Leistungssport durch. Inwiefern ist die osteopathische Therapie auch für leistungsorientierte Freizeitsportler und Hobbyathleten eine sinnvolle Ergänzung?

Aufgrund der ganzheitlichen Betrachtung des Körpers und seiner Funktionen, der Integration unterschiedlicher Körpersysteme, bietet die Osteopathie für Leistungssportler einen wirksamen Ansatz für verschiedene Bereiche. Diese reichen von Prävention und der Behandlung nach Verletzungen bis hin zur Unterstützung in der Trainingssteuerung und zur Optimierung von Bewegungsabläufen. Für immer mehr Hobbyathleten werden diese Punkte ebenfalls interessant, da sie ihre Sportart mit hoher Leistungsorientierung betreiben, wie beispielsweise Marathonläufer oder Triathleten, aber auch Skilangläufer oder -abfahrer. Jeder Sport erfordert spezifische Bewegungen und Bewegungsmuster, die auf den Körper einwirken. Daraus können Funktionsstörungen entstehen, die sich osteopathisch adressieren lassen. Bei den Profis und stark leistungsorientierten Freizeitsportlern entstehen zudem Verletzungen oft durch Ermüdung und Überanstrengung der Körperstrukturen. Im Freizeitbereich kommt es oft durch mangelnde Kognition zu Verletzungen. In beiden Fällen kann die Osteopathie zu Heilung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit beitragen.

Worauf sollten Freizeitathleten in puncto Osteopathie achten?

Zunächst einmal ist es positiv, dass sie Sport treiben, denn der Mensch wurde für die Bewegung geschaffen. Unsere moderne Welt verlangt hingegen viel Ruhe, etwa durch sitzende Tätigkeiten. Sport ist darauf schon die richtige Antwort. Die Osteopathie kann dabei in fünf Bereichen unterstützen – von der Vorsorge über die Behandlung von Verletzungen bis hin zur Leistungsoptimierung. Wer die Hilfe von Osteopathen sucht, kann auf einige Dinge achten. Osteopathie ist hierzulande noch kein anerkannter Beruf. Deswegen haben sich die meisten Osteopathen in Verbänden wie dem BVO organisiert, die hohe Standards für Ausbildung und Praxis sichern. Über die Seiten der Organisationen lassen sich qualifizierte Osteopathen finden. Ein weiterer Punkt ist die Nähe zum Sport. Einige Therapeuten haben eine Sportosteopathie-Fortbildung, andere sind selbst sportlich aktiv. Das kann natürlich zusätzliche Vorteile haben, insbesondere wenn Sportler und Therapeut sich mit der gleichen Sportart beschäftigen.



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