INTERVIEW: Osteopathie braucht ein einheitlich hohes Niveau
03.11.17Im Interview mit dem BVO spricht Klaus Holetschek (CSU) über die Chancen für ein bundesweites Berufsgesetz zur Regelung der Osteopathie und aktuelle Entwicklungen im Gesundheitsbereich. Klaus Holetschek gehört zu den führenden Gesundheitsexperten im Bayerischen Landtag. Der Abgeordnete für den Stimmkreis Memmingen ist stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Gesundheit und Pflege seiner Fraktion. Als 1. Vorsitzender des Bayerischen Heilbäder-Verbandes setzt er sich zudem für die Belange von Leistungserbringern und Patienten ein.
Wie sehen Sie die aktuelle Situation der Osteopathie innerhalb des Gesundheitssystems?
Im Gesundheitssystem haben sich zahlreiche Rahmenbedingungen geändert. Die Zunahme von Volkskrankheiten wie Rückenleiden oder Psychische Erkrankungen einerseits und die längere Lebensarbeitszeit der Menschen andererseits bringen neue Herausforderungen. Prävention und Betriebliches Gesundheitsmanagement sind das Gebot der Stunde. Politik, Kostenträger und Leistungserbringer müssen darauf Antworten finden. Momentan gibt es etwa eine intensive Diskussion um nicht-ärztliche Gesundheitsberufe wie Alten- und Krankenpfleger, Heilpraktiker, Masseure oder eben Osteopathen. Als relativ junge Disziplin in Deutschland ist die Osteopathie hierzulande nicht unumstritten. Sie gilt als ein komplementärmedizinisch ausgerichtetes Verfahren zur Behandlung von Gesundheitsstörungen des Muskelskelettsystems, der inneren Organe sowie der Psyche. In einigen Studien konnten positive Effekte bei einzelnen Krankheitsbildern nachgewiesen werden. An der wissenschaftlichen Datenlage muss die Osteopathie jedoch intensiv arbeiten, um weitere Kritiker im System überzeugen zu können.
Welche Chancen bietet Osteopathie etwa in puncto Kostendruck für das System?
Aktuell lässt sich diese Frage nicht abschließend beantworten. Bis jetzt gehören osteopathische Behandlungen nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Einige erstatten jedoch anteilig Kosten für Verfahren wie die Osteopathie und einzelne untersuchen die Ergebnisse. Manche dieser Auswertungen deuten Möglichkeiten für positive Effekte an. Aufgrund der Entwicklungen im Gesundheitssystem insgesamt müssen wir uns meiner Meinung nach intensiv mit den Fragen von anderen Ansätzen und unnötigen Operationen auseinandersetzen. Letztlich muss die Vorsorge eine noch wesentlich größere Rolle spielen. Vor dem Hintergrund der Qualität und der verschiedenen Stufen evidenzbasierter Medizin gilt es passende Antworten zu finden. Eine Option kann dafür eventuell die Osteopathie bieten. Auch hierfür ist es entscheidend, hohe Standards für Aus- und Weiterbildung zu setzen sowie die Erfahrungswerte von Patienten und Therapeuten auch in entsprechenden Studien belegen zu können.
Inwiefern kann ein Berufsgesetz für die Osteopathie dazu beitragen?
Wohlergehen und Sicherheit von Patienten sind die entscheidenden Maßstäbe für Leistungen im Gesundheitsbereich. Nur bei korrekter Anwendung von Heilkunde lassen sich beide durchgängig gewährleisten. Genauso wichtig sind eine fundierte Diagnose und die Aufklärung der Patienten. Trotz klarer Vorgaben und intensiver Anstrengungen von Verbänden wie dem BVO in puncto Ausbildungs- und Behandlungsqualität sind in diesem Bereich die Kompetenzunterschiede zwischen einzelnen Therapeuten zu groß. Wir brauchen dort ein einheitlich hohes Niveau! Eine bundeseinheitliche Regelung für die Osteopathie kann dafür eine wirksame Lösung schaffen und einen umfassenden Schutz von Patienten dauerhaft erreichen. Für den Übergang wird es dabei entscheidend sein, dass alle Beteiligten mit Augenmaß handeln – zum Beispiel mit Blick auf Physiotherapie und Osteopathie. Eine sinnvolle Regelung muss aufgebautes Know-how und therapeutische Fähigkeiten für die Zukunft erhalten. Wie es nicht laufen sollte, zeigt aktuell das Beispiel der Masseure. Durch ein Urteil des Bundessozialgerichts dürfen sie keine Manuelle Therapie mehr abrechnen. Im Ergebnis heißt das, sie werden sie auch nicht mehr als Leistung erbringen. Dafür gibt es aktuell keine vernünftigen Übergangsregelungen. Auf der einen Seite sind Praxen dadurch in ihrer Existenz bedroht, auf der anderen Seite fehlen für Patienten entsprechende Behandlungsmöglichkeiten. Wir müssen bei der Regelung für die Osteopathie solche Wechselbeziehungen beachten, um vernünftige Lösungen für alle Beteiligten zu schaffen.
Wie steht Bayern zu einer berufsgesetzlichen Regelung der Osteopathie?
Bayern befürwortet grundsätzlich ein Berufsgesetz für die Osteopathie – genauso wie etwa Schleswig-Holstein, das Saarland, Sachsen-Anhalt und in der Tendenz auch Rheinland-Pfalz. Interessant ist dafür sicherlich, wie die Beteiligten von CDU/CSU, FDP und Grünen diesen Bereich in möglichen Koalitionsverhandlungen beleuchten. Wie eingangs erwähnt, gibt es eine intensive Diskussion und eine weitgehende Einigkeit darüber, bestimmte Bereiche neu zu regeln.
Inwieweit kann Osteopathie auch Ergänzung und Bestandteil künftiger Kurortmedizin sein?
Zwischen beiden gibt es Parallelen – so betrachtet auch die Kurortmedizin den Menschen in seiner Ganzheit. Sie geht dabei von klassischen Naturheilverfahren und ortsgebundenen Heilmitteln aus. Und bereits heute werden manuelle Verfahren wie Osteopathie auf ärztliche Anordnung und auf Wunsch selbstbezahlender Patienten in vielen Kurorten und Heilbädern angewandt. Ich rege an, dass sich das neu eingerichtete Institut für Kurortmedizin und Gesundheitsförderung des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mit dieser Frage beschäftigt. Denn im Kern geht es dabei um die Weiterentwicklung qualitätsgesicherter Angebote in Kurorten und Heilbädern. Da der BVO bei uns im Bayerischen Heilbäder-Verband Mitglied ist, sollten wir hier eine gemeinsame Initiative starten.